Das Gericht hatte sich ja schon an uns gewöhnt, sodass unser Sitzenbleiben diesmal wortlos ignoriert wurde.
Heute wurden zwei Cop-Zeugen vernommen. Der erste gab freimütig zu, sich selbst an nichts genaues erinnern zu können, sondern sich in seiner zeugenschaftlichen Aussage auf die Aussagen und “Erinnerungen” seiner Kolleg*innen bezogen zu haben. Dann jedoch sagt er aus, an dem Abend der Kundgebung nicht zu Boden gegangen zu sein. Ups, in seiner Aussage findet sich Gegenteiliges. Aber die Aussagen der Cops sind natürlich über alle Zweifel erhaben.
Der zweite Cop-Zeuge gab ebenso an selber an dem Abend kaum eigene Beobachtungen gemacht zu haben, sondern von Zeuge Sch. Informationen bekommen zu haben, der widerum die Informationen vom Bullenführer Bo. bekommen haben soll. Also das “Stille Post”-Prinzip kennen wir ja auch noch von Kindergeburtstagen. Und wie witzig wir es fanden, dass sich Geschichten auf so eine Art ins absurde verändern.
Der Anwalt der ersten Heini weist dann darauf hin, wie unterschiedlich die Strafprozessordnung bei zivilen Zeug*innen im Vergleich zu Cop-Zeugen gehandthabt wird und beschreibt das treffend als “justizielle Doppelmoral”. Weder wird kritisch hinterfragt, noch die Glaubwürdigkeit der Cops angezweifelt, eine Zeugenbefragung wird einfach gar nicht so durchgeführt, wie sie bei jeder anderen Person gehandhabt werden würde.
Hier zeigt sich einmal mehr, dass Staatsanwaltschaft und Richter für solche Kritik taub sind, ganz nach dem Motto: “Hier rein – da raus”. Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten Hand in Hand.
Die zwei Beweisanträge, die wir stellen, werden beide – wer hätte es erwartet? – abgelehnt.
Einer der beiden Beweisanträge, der die Glaubhaftigkeit einer der Cop-Zeugen prüfen lassen soll, wird vom Staatsanwalt mit der Erwiderung abgetan, “man habe es ja nicht mit Kindern oder Schw*chsinnigen zu tun”, weshalb der Beweisantrag unbegründet sei.
Der zweite Beweisantrag sollte das Funkprotokoll wie auch den Verlaufsbericht des Polizei-Einsatzes am Heinrichplatz heranziehen. Die Staatsanwaltschaft lehnt es ab, denn das sei ja “Ausforschung von Polizeiunterlagen”. Das zweifelhafte Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei wird hier wieder besonders deutlich. Ermittlungen gegen die Polizei werden als eine Ausforschung dieser dargestellt.
Am Ende verliest die erste Heini ihr Schlusswort und hört mit den Worten „Die Verhandlung ist hiermit beendet“ auf – selbstbestimmt verlässt sie, zusammen mit dem solidarischen Publikum und unter Applaus, den Raum.
Das Urteil erfahren wir vom Anwalt der ersten Heini vor dem Gericht – Strafmaß von 180 Tagessätzen aus erster Instanz bleibt unverändert. Die Schöff*innen, die offiziell gleichberechtigt mit dem Richter über das Urteil entscheiden, haben sich als Beischläfer*innen heraus gestellt. Der Schein einer zivilgesellschaftlichen Beteiligung soll durch diese ja gewahrt werden. De facto haben die beiden im Großen und Ganzen im Halbschlaf dem Ganzen gelauscht. Eine*r der beiden wollte sich tatsächlich einmal zu Wort melden. Der Richter fiel ihr aber ins Wort. Mehr Schein als Sein – mehr Beischläfer*innen wie Beisitzende. Die kritischen Fragen des Richters am zweiten Tag haben sich als ein Vortäuschen von kritischem Arbeiten heraus gestellt. Same business as usually.
Unsere Message jedoch ist und bleibt klar: “Wir kommen nicht, um uns verurteilen zu lassen, sondern um unversöhnlich „Nein“, zu sagen,
„Wir nehmen diese Gewalt nicht hin!“.