Die Heinis mal wieder vor Gericht – Die zweite Berufung für die erste Heini
Wieder stehen die Heinis vor Gericht. Es geht immer noch um eine Videokundgebung gegen Polizeigewalt, kurz nach dem G20 auf dem Heinrichplatz in Berlin Kreuzberg.
Die Bullen, die damals die Situation eskalierten, entwarfen später dann eine genaue Abfolge von sich aufeinander beziehenden Verhaftungen. Erst der schlimme Beinsteller, der mittlerweile freigesprochen wurde, dann die Heini, die angeblich den Bullen schwer verletzt hat als sie versucht haben soll dem Beinsteller zu helfen. Danach noch der letzte im Bunde, der dann wiederum die zweite Heini versucht haben soll zu befreien.
Alles soweit so unklar. Wenn wir den Prozesspsychologen Prof. Dr. Könken zum Aussageverhalten, beziehungsweise den Wahrnehmungen von Bullen in dynamischen Situationen hören, meint dieser, dass Bullen als Berufszeugen vor Gericht oft komplexe Abläufe als klare Abfolgen darzustellen versuchen. Dynamische Situationen sind aber nun mal oft unübersichtlich und die angeblichen Klarheiten sind oft Zerrbilder individueller Wahrnehmungen der bewaffneten Herrschaften in Uniform. Sie werden hinterher beim gemeinsamen Berichteschreiben zusammengekittet, damit ein für das Gericht konformes Bild gezeichnet werden kann, unter das die Richter-Person eigentlich nur noch sein Autogramm setzen muss.
Auch in diesem Verfahren waren die Herren von der Polizei wieder sehr bemüht, alles eindeutig und klar darzustellen und trotz der Hinweise des Anwalts und die sehr detailreiche Befragungen schienen Richter und Staatsanwalt sehr unbedarft das von den Bullen gezeichnete Bild übernehmen zu wollen. Die Schöff*innen, die in der Theorie eine zivilgesellschaftliche Kontrolle der Gerichte sein sollen, sind dem Schauprozess eher im Halbschlaf gefolgt. Allenfalls über die schlechte Luft und Akkustik wurde sich von ihnen beschwert.
Aber nochmal zum Anfang. Der Prozess startet und das Publikum und die angeklagte Heini bleiben sitzen. Erste Schlappe für den Richter – den das sichtlich nicht erfreut, dass seine Autorität bereits so früh in Frage gestellt wird.
Darauf probiert er erneut die Heini in einen Deal zu verwickeln, welcher bestimmt abgelehnt wird. Aus Gründen, wie danach in ihrer Prozesserklärung ausgeführt wird. Das Bild dieses Abends soll anders dargestellt werden. Die Situation ist überhaupt erst durch die Polizei eskaliert worden und was vor Gericht bisher geschah, ist klassische Täter-Opfer Umkehr.
Über den kompletten weiteren Prozesstag geben die Bullen ein denkbar schlechtes Bild ab. Dem Bullen Mu. legt der Richter quasi seine ganze Aussage in den Mund. Er hat scheinbar nicht verstanden, dass der Beinsteller freigesprochen wurde und somit keine Straftäter ist – da haben wir es wieder, das sehr ausgeprägte Rechtsverständnis der Berliner Polizei.
Auch der Bulle Ka., dem ja so übel mitgespielt wurde an diesem Abend, mit Kratzern (“die waren erst nach ner Woche verheilt!”) und schlimmen Schlägen auf den Kehlkopf, auf dass er tagelang nichts mehr essen konnte, musste das mehrstündige Verhör durch den solidarischen Anwalt über sich ergehen lassen. Am Ende lagen die Nerven blank (“ich weiss gar nichts mehr” – Ka.) und der Richter und der Staatsanwalt mussten abwechselnd intervenieren, dass er nicht noch was richtig Dummes sagt – Schade eigentlich, das hätte noch lustig werden können. Im Laufe dieser 3 Stunden seiner Zeugenaussage, hat Ka. aber definitiv einige schon jetzt legendäre Sprüche von sich gegeben. Wie etwa dass die Bullen-Wanne, wohin die Heini nach der Verhaftung gebracht wurde, ein sicherer Ort sei. Oder: “Verhaftungen tun nur weh, wenn man sich wehrt” bis hin zu “Sie sind für mich keine Frau, sondern nur eine Straftäterin”. Ka. scheint nicht begriffen zu haben, dass er als Zeuge vor Gericht stand und keine Stand up Comedy Show abliefern soll.
Dagegen richtig erhellend war die Aussage eines Schreibtischbullen, der die Anzeige gegen die Heini “qualitativ” überarbeitet hat. Nach seiner Aussage gibt es “ganz klare Hierarchien in der Linken”. Und darunter gibt es eben die „Mitmachaktivistis“ und die „Profiaktivistis“, das mache einen wichtigen Unterschied. Die Heini sei ja auch überhaupt Student*in und Wissenschaftler*in, wie er bei seiner Onlinerecherche erfahren habe und deshalb eher unbescholten.
Was dann aber doch irritierte war seine Aussage zu der Videokundgebung und das Teilnehmer*innen als auch die Bullen gleichermaßen aufgestachelt durch die Ereignisse in Hamburg gewesen sein. Klingt erst mal recht weitsichtig für so einen Bürohengst. Sein Fazit des Ganzen ist dann allerdings eher amüsant. Die Wut, vor allem bei den jungen Bullen habe zu besonders ehrlichen Berichten geführt und mit Sicherheit nicht zu mehr Gewalt oder Verurteilungswillen. Ist schon klar – ne?!
Wir dachten die Debatte zu Bullengewalt kommt auch irgendwann bei den Uniformträger*innen an, aber Pustekuchen, da wird wohl weiterhin gemauert und totgeschwiegen. Zeuge Mu. ließ eher durchschimmern, dass es in Hamburg keine Polizeigewalt gegeben habe. Ja, und die Erde ist eine Scheibe.
Da das Bullenbefragen ganz schön gedauert hat, gibts noch ‘nen zweiten Prozesstag am Montag, den 24.08.2020 wieder um 9.30 Uhr am Landgericht Tiergarten. Vielleicht hat ja die ein oder andere Lust vorbei zu kommen. Es dürfen inzwischen 12 Zuschauer*innen mit rein und es war wirklich unterhaltsam. 🙂
Wir freuen uns auf euch.
Die drei Heinis und die Crew