Prozessbericht vom Zweiten Heini
Der Zweiten Heini stand nun auch vor Gericht. Er wurde vor gut 2 Jahren am Heinrichplatz mit den Zwei anderen Heinis am Ende einer Kundgebung festgenommen, bei der die Polizeigewalt während der G20 Proteste in Hamburg öffentlich kritisiert wurde. Der Prozess verlief ungewöhnlich, was wohl auch daran lag, dass der Zweite Heini sich selber verteidigt hat.
Gestern, am 15.8.2019 stand der zweite Heini vor Gericht. Der Prozesstag verlief ungewöhnlich, vielleicht auch dadurch, dass der zweite Heini sich selbst verteidigte. Doch dazu später mehr in einem anderen Artikel.
Der Verhandlungsraum wurde kurz vor dem Prozess verlegt, sodass nun 30 statt 15 Zuschauer*innen Platz haben würden. Wir gehen davon aus, dass das aufgrund eines Antrags des zweiten Heini geschehen ist. Oder wollten Sie, vorsitzende Richterin Stoppa, es sich einfach doch nicht nehmen lassen, verschärfte Sicherheitskontrollen am neuen Eingang durchzusetzen? Denn bloß ein größerer Raum wäre ja sicherlich auch so möglich gewesen. Alle Zuschauer*innen mussten nun Durchsuchungsmaßnahmen über sich ergehen lassen. Mit in den Gerichtssaal durften nur Zettel und Stift. Die Sicherheitskontrolle verzögerte den Verhandlungsbeginn um mindestens eine Stunde. Der zweite Heini ließ es sich aber nicht nehmen, das Gerichtsgebäude nach pünktlichem Erscheinen wieder zu verlassen, um mit den solidarischen Prozessbegleiter*innen gemeinsam draußen zu warten. Wer wartet schon gern allein – beziehungsweise mit Richterin und Staatsanwältin?
Nachdem dann endlich alle durch die Schleusen waren und im Saal Platz genommen hatten, eröffnete die Richterin die Verhandlung. Die Staatsanwältin servierte die Anklageschrift. Irgendwas mit Landesfriedensbruch, gemeinschaftlichem Widerstand und Gefangenenbefreiung. Vielleicht noch etwas Soße dazu?
Kurz darauf fiel auf, dass drei Plätze nicht belegt waren. Daraufhin forderte der zweite Heini die Richterin formlos dazu auf, noch vor dem Gericht wartende solidarische Personen herein zu lassen. Das Publikum half dabei lautstark mit und gab unter anderem den Tipp, dass er einen schriftlichen Antrag einreichen solle. Sie versuchte die Aufforderung zu ignorieren, doch der Heini forderte wiederholt mit Nachdruck, sie möge dann wenigstens ihre Entscheidung ins Protokoll aufnehmen!
In diesem Moment – wenige Minuten nach Verhandlungsbeginn – platzte der Richterin das erste Mal der Kragen, und sie ließ den Raum für eine 5-minütige Pause räumen. Wieder drinnen angekommen, konnten die Zuschauer*innen den autoritären Charakter der Richter*innen-Rolle erfahren: auf jede weitere Lautäußerung würde mit Ausschluss der Öffentlichkeit geantwortet werden. Zur Sache wollte sich der zweite Heini dann sowieso nicht äußern, allerdings hatte er eine Prozesserklärung mitgebracht, und die hatte es in sich.
Die Prozesserklärung trug der zweite Heini in den nächsten 45 Minuten einem gebannten Publikum sowie der Richterin und Staatsanwältin, die ihr Interesse doch nicht ganz verbergen konnten, vor. Er sprach darüber, wie er das sieht mit Gerichten, Strafe, Staatsanwält*innen, Bullen und machte zum Schluss auch noch Vorschläge die ganze Scheiße zu ändern! – Für eine Welt ohne Knäste!
Nach der Erklärung konnten sich einige Zuhörer*innen nicht zurückhalten, applaudierten und freuten sich über die gelungene Prozesserklärung. Dann ging auf ein Mal alles sehr schnell. Die Richterin sah den Applaus als deutlichen Regelbruch und zog die sprichwörtliche Reißleine. Der ausgelöste Alarm machte die Justizbeamt*innen nun ganz aufgeregt und sie fingen an die Anwesenden aufzufordern, unverzüglich den Raum zu verlassen und zogen sich die Handschuhe an. Wir möchten uns an dieser Stelle bedanken für die Wichtigkeit, die Sie, Frau Stoppa, uns durch den Alarm beigemessen haben. Auf die Räumung des Saals wurden zwei Transpis entrollt: Solidarität mit den drei Heinis! & Für eine Welt ohne Knäste!
Es gab kurze Rangeleien mit den Justizbeamt*innen, die die Transpis haben wollten, aber die Menge nutzte den Moment und ging geschlossen in den Vorraum, der auf einmal von Bullen und Justizbeamt*innen nur so wimmelte. Als ob im Keller des Amtsgericht irgendwo ein großer 3D Drucker steht, der das Dreckspack auskotzt. Alle solidarischen Besucher*innen wurden wieder vor die Tür des autoritären Gebäudes gelassen.
Der zweite Heini war auf die mögliche Räumung des Saals vorbereitet. Wenn die Leute gehen müssten, dann wollte er auch gehen. Kann ja nicht sein, dass die Leute so rausgeschmissen und geschubst werden. Also sagte er: “Ja dann geh ich aber auch. Können Sie alleine machen hier.” Völlig irritiert schaute Frau Stoppa von ihrem Zettel auf und wunderte sich, was der Heini da machte: “Was machen Sie denn jetzt?” – „Na, ich gehe auch! Durch meine Ladung bin ich belehrt worden, dass meine Anwesenheit nicht notwendig ist, und das gibt mir die Möglichkeit, Ihr ganzes Schauspiel nicht mitmachen zu müssen!“ Daraufhin schaute Frau Stoppa etwas verdattert drein. Der Heini darauf: „Gut, dann gehe ich jetzt!“
Was danach über das Schicksal des zweiten Heinis weiter verhandelt wurde, wissen wir nicht.
Aber am Ende ist es auch egal. Wir haben an diesem Tag offensiv kundgetan, was uns wichtig war – der Rest ist Willkür. Das Urteil wurde am Abend noch durch einen Presseartikel bekannt. Der Heini wurde in Abwesenheit zu 150 Tagessätzen verurteilt.
Zu guter letzt noch das Schlusswort der Prozesserklärung:
“Gegen die vermeintliche Erhaltung der Ordnung. Gegen das Knastsystem. Gegen die daraus entstehenden wirtschaftlichen Faktoren. Gegen den Ausschluss von Insassinnen in der Gesellschaft. Gegen Bullen und ihre Gewalt. Gegen die Richtenden und noch viel mehr gegen die Staatsanwältinnen. Gegen ihre Willkür in Urteilen, die das Leben von Menschen zu Unrecht einschränken. Gegen Misshandlungen und Vergewaltigungen. Gegen die Wertungslogik von Gut und Böse. Und Gegen den Rechtsstaat…….. der ja eigentlich gar keiner ist.
Und Sie erwarten allen Ernstes, dass ich Ihnen gegenüber Respekt habe. Dass ich mich Ihrem System beuge, es anerkenne, mich vor Ihnen rechtfertige und dann zu guter letzt auch noch verurteilen lasse? Das können sie sich aber gewaltig in die Haare schmieren. Vor Ihnen habe ich keinen Respekt und erst recht keine Achtung, denn Respekt gebührt denen, die sich respektierlich verhalten, nicht denen die versuchen mit Angst und Ungerechtigkeit künstlichen Respekt zu erzeugen!!
Wir sind Dieb*innen, Betrüger*innen, Übeltäter*innen und Aktivist*innen, – wir sind die Funken an der Lunte der befriedeten Gesellschaften. Wir sind eine Bewegung. Je mehr Repression es gibt desto größer wird der Widerstand. Wir lassen uns nicht ersticken.
Wir bleiben unbequem!”